Arsch auf Grundeis

20. Juni 2022

Darf man das so schreiben?

Ja, ich finde, das dürfen wir!

Gerade noch war ich so froh, dass sich die Angst so schön von mir fern hält – dann hat es mich eiskalt erwischt.
Am Samstag, beim duschen ertaste ich zwei kleine Knubbel in meiner Brust. Genauer gesagt in der Axelhöhle auf der operierten Seite. Schluck!

Ich kann auf Anhieb zwei Freundinnen aufzählen, die auch Krebs hatten und einen Knubbel ertastet haben – der sich dann als harmlos herausgestellt hat. Sprechen wir von Angst in einer Skala würde ich also sagen, bis Panik ist der Pegel nicht gestiegen. Aber ich war natürlich schon sehr beunruhigt.

Ich musste es sofort Thomas erzählen, was mir im Nachhinein leid tut, denn auch er hat sich dann natürlich grosse Sorgen gemacht. Aber geteiltes Leid ist halbes Leid, Thomas ist mein bester Freund und Seelenverwandter und ich muss einfach immer alles mit ihm teilen.
Der grosse Gewinner dieser Situation war unsere Wohnung, die wir gerade renovieren, denn immer schön beschäftigt bleiben ist meine Standartlösung um mich abzulenken.

Zufälligerweise hatte ich für Montag einen Termin für die Mammografie.
Früher, also vor dem Krebs wurde immer Mammografie und Ultraschall in einem Aufwasch gemacht, aber seit der Diagnose?? Auf der Seite der Mastektomie wird keine Mammografie gemacht, daran konnte ich mich noch erinnern…aber war am Ende der Ultraschall zu einem anderen Termin?? Hallo, Chemobrain! Ich konnte mich nicht mehr erinnern.

Aber Montag Termin im Krankenhaus war schon mal gut und ich war wild entschlossen, die Gelegenheit zu nutzen.

Aber leider hatte ich Pech! “Ausgerechnet heute ist leider kein Arzt anwesend” sagte mir die Krankenschwester. Personalprobleme.
Die Krankenschwester ist immer total nett. Da die meisten Frauen den Fragebogen nicht vollständig ausfüllen geht sie ihn immer noch mal durch und korrigiert. Da hat sie mein Spanisch auch gleich mitkorrigiert “ducharse wird zusammen geschrieben” und ich sag – los, streich es auch an mit deinem Rotstift, Fehler ist Fehler.
Sie sagte, sich soll mir keine Sorgen machen, morgen ruft mich das Krankenhaus an und gibt mir einen Termin für den Ultraschall.

“Wir fahren aber Samstag in den Urlaub”

sage ich zu ihr und frage, ob ich den Termin vorher bekomme. “Ich glaube schon” war ihre Antwort.

Ich war kurz davor, mich damit zufrieden zu geben, aber dann dachte ich: nee, “Ich glaube schon” ist nicht gut genug. Ich will wirklich nicht mit dieser Ungewissheit 14 Tage in den Urlaub fahren.

Also bin ich weiter gefahren, nach Cádiz, zu meiner Onkologin. Seit Corona sind die Sicherheitsmassnahmen im Krankenhaus ziemlich hoch. Am Eingang steht ein Automat, dort gibt man seinen Termin ein und bekommt einen Code. Mit dem Code geht die Schranke auf. Ohne Termin, kein Code. Aber auch das habe ich irgendwann geschafft und “war drin”.

Die Sekretärin schlug vor, ich soll lieber mit Teresa, der Breatcare Nurse sprechen, also habe ich mich auf die Suche nach Teresa gemacht. Ach, die Leute in der Onkologie in Cádiz sind einfach alle so nett, es wird einem wirklich ganz warm ums Herz. Ich bin schon seit fast 1,5 Jahren mit der Chemo fertig, aber Teresa wusste sogar noch meinen Namen und hat sich total gefreut mich zu sehen.
Ich schilder ihr also mein Problem und auch sie denkt, dass meine Onkologin nicht der richtig Ansprechpartner ist – direkt in die “Patología Mamaria” sagt sie. Das erschreckt mich ein wenig. aber was solls. Dafür bin ich ja schliesslich nach Cádiz gekommen.
Teresa ruft direkt in der Pathologie an, bekommt aber auch nur ein Termin für “wahrscheinlich” noch diese Woche.

Nun gut, zwei verschiedenen Krankenhäuser werden versuchen mir noch vor dem Urlaub einen Termin zu geben – das wird schon klappen.

Bevor ich nach Hause fahre kontaktiere ich wie immer meine Freundin María. Sie ist auch Adoptivmutter und wir kennen uns aus der Ado -Elterngruppe. Sie arbeitet im Krankenhaus in der Lohnbuchhaltung und wenn ich schon mal in Cádiz bin rufe ich sie an und wir treffen uns kurz. María hatte auch Bruskrebs (vor 7 Jahren – ist also Mutmacherin). Sie war mir eine riesen Hilfe während der Akuttherapie.

Erst konnte María nichts fühlen und sagte “da ist nichts, Yvonne”, aber irgendwann konnte ich ihren Finger dann direkt auf die Knubbel legen. “OK” sagt sie. Da sie in der Lohnbuchhaltung arbeitet kennt sie viele Leute im Krankenhaus …”lass mich überlegen”… “ich rufe Rafa an”.

Sie geht ein Stück zur Seite, ich weiss also nicht, was sie Rafa erzählt hat, aber sie hatte Erfolg. Wir schummeln uns ins Krankenhaus zurück und Rafa wartet am Ultraschall auf mich.

Ich zeige Rafa die Stelle und er sagt “es sind zwei” – da bin ich gleich sehr beruhigt, denn ich hatte ja zwei Knubbel ertastet und so hatte ich die Sicherheit, dass Rafa an der richtigen Stelle schaut.

Zysten

Es sind Zysten. Ich brauch mir absolut keine Sorgen machen. Es sind Zysten und sie sind absolut harmlos. Dort sind keine Lymphknoten. Puh.
Kurz habe ich noch gedacht, ich fange jetzt an zu heulen. Oft merkt man die Anspannung ja erst, wenn sie vorbei ist. Aber ich konnte mich zusammenreissen. Da wir schon gerade dabei sind sagte Rafa “in der anderen Brust hattest du auch was ertastet, oder”? Und zwinkert mir zu…und macht noch eine Kontrolluntersuchung der anderen Brust.

Nun kann ich so richtig beruhigt in den Urlaub fahren und freue mich einfach nur auf zwei Wochen Familienzeit.

Das haben wir uns wohl verdient.

Es geht zwei Wochen zum Campen nach Cataluña, darauf freue ich mich schon sehr. Thomas und Elié gehen surfen, ich werde in der Lagune mal stand up paddeling probieren und ausserdem ist ein Freund von uns Yogalehrer dort- also 14 Tage Zeit um all das zu tun, was gut tut.

Ich melde mich bestimmt noch mal von unterwegs.

Bis dahin,

machts gut!

Vielen Dank für das schöne Foto vom Eisberg an Miguel Mansilla @unsplash.com

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